Die Berufsweltmeisterschaft "WorldSkills 2011"

Berufsweltmeisterschaft "WorldSkills 2011" im Oktober in London: ein Wettbewerb mit vielen Unwegsamkeiten! Zahnschmerzen und ein zu kurz abgeschnittenes Holz sorgten für ein mentales Tief am ersten Wettbewerbstag. Nach der Order für neues Holz dann Aufholjagd bis zur allerletzten Minuten - mit Erfolg. Bronze für Philipp Stich.

Der Film zu WorldSkills 2011

„WorldSkills muss man erleben, um es zu begreifen!“

London, 02-Arena an der Themse: Knapp über 10.000 Menschen sind zur Abschlussfeier der 41. Berufsweltmeisterschaft „WorldSkills 2011“ gekommen. Topmoderatoren des britischen Fernsehens führen durch eine bombastische und emotionsvolle Siegerehrung. Die Besten der Besten in 46 Berufen aus 51 Ländern werden gefeiert. Vier Wettbewerbstage mit bis zu 22 Arbeitsstunden liegen hinter den 944 Teilnehmern. Konditoren, Mechatroniker, Landschaftsgärtner, CNC-Dreher und zahlreiche weitere Berufe, u.a. aus dem Baubereich, haben ihr Können gezeigt – auf einem Niveau und in einer Dynamik, das die Besucher einnimmt. Es sind die Dimensionen dieses jemals größten Berufswettbewerbs aller Zeiten und es ist der Geist von WorldSkills. „WorldSkills muss man erleben, um es zu begreifen!“ Diese Worte hört man immer wieder auf dem Messegelände in den Docklands. Über 200.000 Besucher kommen zum Zuschauen, Beobachten und Mitfiebern. Dazu gibt es ein riesiges Medieninteresse.

Doch die Stars sind die Wettbewerber - allesamt und unabhängig von ihrer Platzierung. Der britische Bildungsminister John Hayes betont: „ Jeder, der bei diesem Wettbewerb mitgemacht hat, ist ein Gewinner! Jeder in England – der Premierminister, das Königshaus und wir alle – ist stolz auf Euch!“ Der Premierminister David Cameron machte sich selbst ein Bild vom Wettbewerb und verkündet per Videobotschaft: „Was Ihr hier geleistet habt, hat einen unglaublichen Vorbildcharakter für viele andere junge Menschen. Was ich hier gesehen habe, macht mich optimistisch für unsere Zukunft.“

„Stellt es Euch groß vor und es wird größer!“

Zu den Teilnehmern gehört auch ein deutscher Zimmerer. Philipp Stich (22), aus Thüringen, Mitglied der Zimmerer-Nationalmannschaft von Holzbau Deutschland und Vize-Europameister 2010. Seit er im November 2008 Deutscher Meister wurde, hatte er ein Ziel „Erst EM, dann WM – jeweils Medaille, Farbe egal!“ Intensiv hat er sich fast drei Jahre auf die WM vorbereitet, hat viele Trainings mit der Mannschaft absolviert und in Opas alter Werkstatt trainiert. In einem Film des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes spricht er wenige Tage vor „WorldSkills“ von seinen Erwartungen: „Stellt es Euch groß vor und es wird größer!“

Groß ist schon die Eröffnung in der O2-Arena. Mit Musik, Tanz und Show wird auf ereignisreiche Tage eingestimmt. Der stellvertretende Premierminister, Nick Clegg, erklärt: „Ihr haltet mit Euren Fähigkeiten die Chance auf eine bessere Welt in den Händen!“ Clegg würdigt das Talent der Teilnehmer, mit handwerklichen und geistigen Fähigkeiten ihren Berufen nachzugehen und Geld zu verdienen. Zum Abschluss der Einzug der Nationen. Wie bei Olympia laufen die Akteure mit Flaggen ein.

Der Wettbewerb - ein Wechselbad der Gefühle mit vielen Auf und Abs

Am nächsten Morgen erfolgt der Wettbewerbsstart. Ein Holzpavillon ist zu erstellen. Für Deutschland dürfte die Aufgabe vom Schiften her schwerer sein, aber es ist viel Holz auszuarbeiten. Am Nachmittag des ersten Tages passiert ein Fehler. Neues Holz muss her, 2,5 Punkte in einem sich abzeichnenden engen Feld sind „weg“. Aber es wird nicht aufgegeben. Philipp und sein Teamleiter Roland Bernardi, zugleich deutscher Experte, schauen zuversichtlich nach vorne, trotz einer anhaltenden Erkältung und Zahnschmerzen.

Abgerechnet wird am Ende. Die anderen 14 Teilnehmer können auch Fehler machen. Dazu gehören der Europameister Flavien Parent aus Frankreich und Jonathan Kissling aus der Schweiz, der bei der EM 2010 Platz 3 hatte. Aber auch Japan, Korea, England und Österreich wollen gewinnen. Am dritten Tag gute Nachrichten für Deutschland: Die Schweizer haben ihr Modell „versemmelt“, ein Zahlendreher sorgt dafür, dass der Gratsparren drei Zentimeterhöher als die Normalsparren sind. Japan und Korea haben eine Klaue nicht. Philipp hat sie. Entsprechend motiviert, aber sehr angespannt startet Philipp in letzten Tag. Noch drei Stunden und neun Minuten. Was auf seinem Arbeitsplatz stattfindet, ist Dynamik pur. Der Fußboden muss noch fertig werden. Die Beobachter sind beeindruckt und erstaunt. Hier will es einer bis zur allerletzten Sekunde wissen. Zum Fankreis vor Ort gehören Philipps Vater und kleine Schwester, der Vorsitzende von Holzbau Deutschland, Ullrich Huth, aber auch Vertreter der Leistungspartner von Holzbau Deutschland, die seit Jahren die Zimmerer-Nationalmannschaft unterstützen. Güven Kodas und Peter Bensch von Isover fiebern mit. Ingeborg Mell, CWS boco, bleibt bei ihrem Tipp („Platz 2“), auch wenn Japan und Korea immer noch keinen Fehler gemacht haben und der Lauf der Franzosen toppt bleibt.

Unvergessliche Momente

Als der dänische Chefexperte die 41. WM abpfeift, fallen sich Philipp und Roland Bernardi in die Arme. Drei Kameras, unter anderem von Pro Sieben Kabel eins, die eine Reportage über Philipp und zwei andere deutsche Wettbewerber machen, fangen alles ein. Vom Rand kommt Applaus für eine beeindruckende Leistung und Nerven aus Stahl. Es sind unvergessliche Momente – nicht nur in Philipps Leben. Aber ganz ehrlich: an eine Medaille glaubt keiner mehr.

Topmaße haben zu Bronze geführt

Dann die große Überraschung bei der Siegerehrung: „Philipp Stich, Germany“. Die Erstplatzierten eilen zur Bühne und erfahren hier, auf welchem Platz sie sind. Die Farbe war dem deutschen Team egal. Philipp Stich steht auf dem Podest und hat Bronze geholt. Er hat Topmaße geliefert. Das Modell überzeugt, auch weil er auf neues Holz setzte. Roland Bernardi, der das Ergebnis auch nicht kannte, hat Tränen in den Augen „Wir können stolz auf Philipp sein!“. Gold geht nach Korea, Silber an Frankreich und Japan. Die Freude ist riesig.

Am Tag danach haben viele keine Stimme mehr, auch Güven Kodas von Isover. Die ersten Glückwünsche treffen per SMS ein, auch von unseren Leistungspartnern Pavatex, Velux, boco und Roto. Michael Polworth von ITW Befestigungstechnik und die Firma Spax drücken mehrfach den „Gefällt mir“-Botton auf dem Facebook-Auftritt der Mannschaft. Die beiden Trainer Jens Volkmann aus Kassel und Michael Rieger aus Biberach dürfen es in London miterleben. Für Michael Rieger, selbst vor zehn Jahren mit Silber auf dem Treppchen bei der WM in Korea, ist es eine Erinnerung an das Selbsterlebte. Trainer Roland Schumacher, auch aus Biberach, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht nach London reisen, hat daheim kräftig die Daumen gedrückt.  

Beste Werbung für den Zimmerer-Beruf

Ullrich Huth kann die Glückwünsche direkt vor Ort übermitteln „Herausragende Leistungen der Mannschaft. Das große Medieninteresse an Stich zeigt, dass wir so hervorragend auf unseren Beruf aufmerksam machen. Besser als auf einer solchen WM mit diesen Dimensionen kann man nicht für Berufe im Handwerk werben!“

Matthias Krauss, Sprecher der Industrie im Beirat der Leistungspartner von Holzbau Deutschland und Vorstandsvorsitzender der Mafell AG, ergänzt: „Einfach nur super. Wir Leistungspartner haben auf die Mannschaft gesetzt und die intensive Vorbereitung ermöglicht. Philipp Stich hat daraus Bronze gemacht!“

Insgesamt gab es vier Medaillen für Deutschland. Richard Schauer aus Bayern wurde Weltmeister im Möbelbau. Fliesenleger Johannes Fleischmann und Polymechaniker Nils Michalik sicherten sich Silber. Von Seiten des ZDB nahmen Maurer Dominik Chylek aus Niedersachsen teil, der für seine Leistungen eine „Medallion for Excellence“ bekam und auf Platz 13 lag. Stuckateur Armin Hummel aus dem Baden-Württemberg lag am Ende auf Platz 8.